Fuck tourism, fuck travelblogs!

Nun sind es noch knapp zwei Monate bis zum Start unserer großen Reise. Wir stecken mitten in den Vorbereitungen, die Vorfreude steigt, unsere Internetseite nimmt Gestalt an und füllt sich allmählich mit Inhalten 🙂

Mit dem Format „Blog“ hab ich bisher etwas gefremdelt, ich mag lieber klar strukturierte Websites, übersichtlich eingeteilt in Rubriken. Fotos, Videos, Reiseberichte… Wozu brauchen wir da noch einen Blog? Da wird doch meist nur rumgeschwafelt, oder?

Und jetzt schreibe ausgerechnet ich einen Blogeintrag. Wie kam es dazu?

Heute Morgen hat Ben mir einen Film geschickt vom Y-Kollektiv, der die Frage aufgreift, wie sich das Reisen seit Corona verändert und dabei vor allem die Problematik des Übertourismus vor der Pandemie thematisiert. Uff, dieser Film kann einem die Vorfreude aufs Reisen ganz schön vermiesen. So ungern ich es eingestehen mag, aber hier wird ein Konfliktfeld angesprochen, vor dem wir unsere Augen nicht völlig verschließen sollten: Umweltschutz, Nachhaltigkeit und Reisen passen leider nicht immer gut zusammen.

Natürlich war mir längst bewusst, dass die Art und Weise, wie wir uns im kommenden Jahr fortbewegen wollen, mitunter nicht sehr nachhaltig ist. Obwohl wir es besser wissen, haben wir uns entschieden, dass wir gerne richtig weit weg wollen und damit nicht drum herum kommen werden, mehrere Langstreckenflüge zu buchen. Das schlechte Gewissen reist mit und lässt den Rucksack schon ziemlich schwer auf den Schultern lasten.

Weniger bewusst war mir hingegen die Tatsache, dass selbst ein Reiseblog im kleinen Stil zu einer Dynamik beitragen kann, die das Phänomen des Übertourismus befeuert. Und das läuft so: Die meisten Reiseberichte, Instagram- und Facebook-Beiträge zielen selbstredend nicht darauf ab, dokumentarisch die Realität im Reiseland abzubilden, sondern wollen Bilder eines vermeintlich perfekten Traumurlaubs kreieren. Menschenleere Sehenswürdigkeiten, makellose weiße Sandstrände… Dass da oft eine Menge Illusion dabei ist, haben wir in Thailand, Kambodscha, Mexiko und vielen anderen Ländern erlebt. Den wunderschönen Strand gibt es schon, doch nicht selten mündet nur wenige Meter hinter dem Hauptstrand das Abwasser der Hotelanlagen in eine Jauchegrube, daneben ein verkohlter Berg aus Plastikmüll. Die Stufen zu den sagenumwobenen Maya-Tempeln werden täglich plattgetrampelt von tausenden Tourist*innenfüßen in teuren Trekkingsandalen.

Und dennoch muss ich mir eingestehen, dass auch viele unserer Fotos und Videos bisher genau nach diesem Prinzip entstanden sind: Mit dem richtigen Bildausschnitt verschwindet wie mit Zauberhand jeglicher „Störfaktor“, wie zum Beispiel die Plastikflasche und der riesige Algenhaufen; den toten Fisch verstecken wir einfach geschickt hinter einer Kokosnuss. Und natürlich warten wir auch gern ne halbe Stunde ab, um den perfekten Moment zu erwischen, damit das Foto den Eindruck vermittelt, wir hätten den Strand ganz für uns allein gehabt.

Was daraus folgt, ist, dass bei noch mehr Menschen das Bedürfnis geweckt wird, das Reiseziel besuchen zu wollen, das bedeutet noch mehr Menschen, die per Flugzeug anreisen, noch mehr Menschen die ihren Plastikmüll hinterlassen, noch mehr Menschen, die die Stufen der Tempel platttrampeln, noch mehr Menschen, die Traumurlaub-Fotos fabrizieren, die wiederum noch mehr Menschen anlocken… Das Prinzip ist klar, oder?

Nun gut, was tun mit dieser Erkenntnis…

Bewusstsein schaffen

Zu aller erst habe ich heute verstanden, wofür ein Blog doch ganz nützlich sein kann: Gedanken formulieren und teilen, die nicht so eindeutig in eine der Rubriken unserer Homepage passen. Eine gewisse Schwafeligkeit bleibt da wohl trotzdem nicht aus und vielleicht holt das hier auch nicht alle ab. Das ist auch ok.

Dennoch haben wir uns entschieden, dass es auf unserer Website ein Eckchen geben soll, wo auch solche Gedanken Raum finden. Heute möchte ich diesen vor allem dazu nutzen, den ca. 40-minütigen Film von Anna Thiele mit euch zu teilen, der sehr eindrücklich diese dunkle Seite des Tourismus beleuchtet, aber auch ein paar alternative Konzepte zeigt.

Den Film nehmen wir als Anregung, im Rahmen unserer Internetseite auch die Schattenseiten des Reisens etwas realer abzubilden, bzw. zumindest nicht völlig auszuklammern. Damit wollen wir wiederum auch andere ermutigen, nicht nur Wallpaper-Fotos zu produzieren. Dennoch wird der Schwerpunkt unserer Internetseite natürlich weiterhin auf der Leidenschaft am Reisen liegen und so wird es bestimmt trotzdem ne Menge „Feel-Good-Content“ geben 😉

In Austausch miteinander treten

Natürlich sind wir aber auch gespannt auf eure Gedanken dazu.

Was hat euch an dem Film überrascht/bewegt/schockiert? Welche Aspekte haben euch gefehlt?

Was sind eure Erfahrungen mit diesem Thema?

Kennt ihr von euren eigenen Reisen coole Projekte mit Schwerpunkt Umweltschutz, Nachhaltigkeit oder auch aus dem Bereich Solidarische Ökonomie, die ihr gerne weiterempfehlen würdet?

Handeln (hinterfragen)

Wir würden uns freuen, über den Austausch mit euch vielleicht ein paar Anregungen zu finden, wie wir unsere Praxis des Reisens (trotz Fliegen) noch etwas nachhaltiger gestalten können.

In Hinblick auf unsere anstehende Reise sind zwar einige Entscheidungen bereits getroffen. So wollen wir z.B. gerne vor allem außerhalb von Europa reisen und da sehen wir leider zum aktuellen Zeitpunkt keine Möglichkeit, ohne gelegentliche Flüge auszukommen (…mit dem Schiff braucht‘s einfach wirklich viel zu lange bis nach Amerika und wir sind nicht so geduldig wie Greta.)

Dennoch können wir uns gut vorstellen, dass es trotzdem das ein oder andere Schräubchen gibt, an dem wir noch drehen könnten.

Vor und während unserer Reise wollen wir daher unser eigenes Handeln immer mal wieder hinterfragen:

Können wir es z.B. schaffen, an einem Ort, an dem wir uns ein paar Tage aufgehalten haben, etwas weniger Müll zu hinterlassen? Welche Hygieneprodukte können wir ersetzen, auf welche sogar evtl. ganz verzichten, um weniger Grundwasserverschmutzung zu verursachen? Gibt es auf der geplanten Route eine realistische Alternative zum Flug? Wie können wir einerseits bewusst (nur so viel, wie nötig) und nachhaltig konsumieren, aber gleichzeitig die Menschen unterstützen, die zur aktuellen Zeit mehr denn je auf die Gewinne aus dem Tourismus angewiesen sind?

Jetzt ist das Gewissen aber rein, oder?

Abschließend will ich noch deutlich machen, dass ich mir an dieser Stelle auch nichts vormachen will. Wie weiter oben schon erwähnt, ist uns definitiv bewusst, dass wir aktuell nicht besonders nachhaltig reisen. Daran ändern auch ein Blogeintrag, ne andere Seife oder ne Spendenaktion für n cooles Projekt nix. Dennoch heißt das ja im Umkehrschluss nicht, dass wir die Scheuklappen komplett dicht machen und uns jedwedem Lernprozess versperren müssen.

Ihr dürft uns gern kritisieren und das Gewissen soll dabei ruhig schwer auf unseren Schultern lasten.

Dass wir heute unsere Entscheidung noch für die Flugreise treffen, heißt nicht, dass wir es in 5 Jahren immer noch tun werden.

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